Das anthroposophische Menschenbild begreift den Menschen sowohl unter physischen, als auch seelischen und geistigen Aspekten. Es kann so die Einseitigkeit einer bloß naturwissenschaftlichen Weltanschauung, die den Menschen in erster Linie als Ergebnis chemischer und physikalischer Vorgänge betrachtet, überwinden.
Nach dem weit verbreiteten naturwissenschaftlichen Weltbild ermöglicht die Ansammlung der Zellen, die vom "genetischen Code" bestimmt werden, ein komplexes Zusammenspiel auch aller höheren Vorgänge, bis zum Gefühls- und Gedankenleben. Körperliche Vorgänge werden mit Maschinen verglichen. Man spricht von "Verdauungsapparat", "Atemtrakt", usw. und stellt sich das Gehirn als einen hochentwickelten Computer vor.
Krankheit ist dann eine Fehlfunktion der Zellen. Sie wird als Last erlebt, die man schnellstmöglich loswerden möchte. Das Herstellen der Gesundheit ist dabei ein Reparaturvorgang, der den Zustand vor der Erkrankung wieder herstellen soll (Rehabilitation). Entsprechend wird durch die Medikamente der Schulmedizin in die chemischen Vorgänge direkt eingegriffen.
Man stößt an die Grenzen dieses "mechanischen Weltbildes", wenn man sich fragt, wer denn diesen Mechanismus ersonnen hat und wer ihn benutzt. Wer denkt? Wer will? Wer fühlt? Der Organismus ist nicht nur ein zweckmäßig funktionierender Apparat, er folgt auch bestimmten, z.B. rhythmischen oder harmonischen Gestaltungsprinzipien. Gegenüber der bloß mechanischen Sichtweise kann man den menschlichen Organismus auch als Kunstwerk betrachten, in dem leiblich ausgedrückt wird, was innerliche Vorgänge sind. Krankheiten werden dann als Einseitigkeiten angesehen, die sich körperlich manifestieren. Wie der Künstler nicht dabei stehen bleibt, etwas abzubilden oder zu reproduzieren, sondern sich fragt, was daraus werden könnte, stellt sich ihm auch der Erkrankungsprozess als etwas dar, was gestaltet werden möchte. Für die Therapie ergibt sich daraus die Möglichkeit, dasjenige, was sich in der Krankheit den Gestaltungskräften des Organismus entzogen und vereinseitigt hat, wieder in die Beweglichkeit des Gestaltungsprozesses überzuführen.
Letztendlich ist der Mensch aber eine entwicklungsfähige Individualität, ein geistiges Wesen, das in Freiheit das eigene Leben gestalten kann und in Liebe auch im Mitmenschen das höhere Wesen sucht, das er werden kann. Unter diesem Aspekt wird ihm Krankheit zur Aufgabe und gibt ihm die Möglichkeit, sich zwischen den Polen von verhärtendem Egoismus und völliger Selbstaufgabe zu einem freien Wesen zu entwickeln.
Das anthroposophische Menschenbild anerkennt jeden der angedeuteten Aspekte, weil alle in ihrem Geltungsbereich wahr sind. Der Mensch ist dem Gesetz von Ursache und Wirkung unterworfen, weil er mit seinem Leib der äußeren Welt verbunden ist. Er kann aber auch die Welt und sein Leben nach dem gestalten, was er in seiner Seele trägt. Und er kann sich als geistiges Wesen die Ziele seines Lebens selbst geben. Die Anthroposophische Menschenkunde sieht im Menschen ein Wesen, das Körper, Seele und Geist in sich vereinigt.
Eine Massage, die das Element des Rhythmischen aufnimmt, kann durch
weiche, in ruhigem Wechsel bindend und lösende Massagegriffe eine
hohe Eigenaktivität anregen, die noch lange nach der Behandlung
weiter im Willensleben und Lebenslauf wirkt. Dabei ist es besonders
wertvoll, dass der Patient bei dieser Therapie liegt, seine
äußerlich sichtbare Aktivität ruht. Dadurch wird ein inneres
Nachfühlen und Erleben angeregt. Über Sinne, wie Tastsinn, Wärme-,
Gleichgewichts- und Bewegungssinn wird wohltuend eine Steigerung des
Körper - Bewusstseins angeregt.
Rhythmisches ist in allen Lebensvorgängen innerhalb und außerhalb
des Menschen erneuernd und vitalisierend wirksam.
Die durch die Massagegriffe angeregten Impulse wirken im Menschen
weiter, wie eine belebende Strömung. Diese kann Verhärtungen
auflösen, oder zu starken Auflösungserscheinungen entgegenwirken.
Auf der Ebene mehr oder weniger bewusster Lebensprozesse fördert sie
die Harmonisierung vegetativer Funktionen wie Schlaf, Atmung,
Verdauung, Wärmehaushalt, Infektabwehr, Hormonhaushalt und steigert
die Durchlässigkeit der Körpergewebe.
Form und Gesamtkomposition der Massage orientieren sich dabei am
individuellen Befund und werden gezielt eingesetzt.
Diese durch das Rhythmische erweiterte Massage eignet sich,
abgesehen von den üblichen Massage-Indikationen ganz besonders für
verschiedene funktionelle und organische Krankheiten,
Schmerzzustände, Infektanfälligkeit bei Kindern und Erwachsenen.
Auch in Entwicklungskrisen kann sie hilfreich sein und neue
Anregungen geben.
Martin Bund
Wenn wir den Menschen als dreigegliedert betrachten, so, wie es uns
Rudolf Steiner mehrfach ausführt, haben wir sehr gute Hinweise für
die Therapie.
Gesund ist der Mensch, wenn er harmonisch verbindet den "oberen
Menschen" mit dem "unteren Menschen", durch den Vermittler, der im
Rhythmischen pulsiert und atmet.
Krankheit entsteht dann, wenn
dieses "Oben" (der Nerven-Sinnes-Pol) und "Unten" (das
Stoffwechsel-Gliedmaßen-System), wodurch der Mensch direkt mit der
Erdenwelt in Verbindung steht, nicht mehr miteinander in Harmonie
sind. Es kann sowohl der obere Pol zu stark als auch zu schwach
sein, ebenso der untere.
In der Massage nach Dr. Pressel wird nun versucht, das "Gespräch"
zwischen oben und unten wieder zustande zu bringen, zu
harmonisieren.
Wechselweise werden dazu Waden und Kreuz, beziehungsweise Rücken und
Nacken massiert. Die dabei ins Bewusstsein tretenden Schmerzstellen
werden in das Ganze mit auf genommen - das heißt: nicht extra
bearbeitet. Wichtig ist es aber, dass der Patient miterlebt und
mitempfindet, was der Masseur tastet.
Es ist ja sein Körper und die
Schwierigkeiten, die zu den Verdichtungen und Schäden im Gewebe
geführt haben, sind seine Schwierigkeiten. Durch das wache
Miterleben kann der Patient Bewusstsein dafür entwickeln und so
Stufe um Stufe mit seinem Lebensschicksal ins Reine kommen.
Eine weite Hilfe für den Masseur ist das Wissen um die Beziehung
zwischen links oben/rechts unten bzw. rechts oben/links unten. Es
kann ihm eventuell Aufschlüsse vermitteln über die tieferen Gründe
der vom Patienten genannten Beschwerden...
Die Krankheit hat meistens eine lange Anlaufzeit gehabt; so wird die
Heilung auch Zeit brauchen. Das fordert oft viel Geduld, sowohl vom
Patienten als auch vom Therapeuten.
Massage ist eine sehr alte Kunst. Sie wurde genutzt um den Körper
geschmeidig und damit erdentüchtig zu machen. Das volle Ergreifen
der Erde war im Altertum Aufgabe und Ziel. Das birgt aber in unserem
Entwicklungsstadium die Gefahr, zur Einseitigkeit des Materialismus
zu führen.
Dass der Mensch in der
geistigen Welt seinen Ursprung hat und dahin auch wieder zurückkehrt
- ein Prozess, der sich z. B. im Rhythmus von Schlafen und Wachen
zeigt - hat er weitgehend vergessen.
Es kann sich heute nicht mehr darum handeln, nur Härten zu erweichen
(wie z. B. in der Sportmassage). Es soll durch die Therapie immer
mehr Kosmisches in den Menschen einströmen können, damit er seine
Aufgaben im vollen Bewusstsein seiner Verantwortung als Mensch
erfüllen kann - dazu will die Massage nach Dr. Pressel eine Hilfe
sein.
Lies Pressel
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